Wenn du schon einmal eine Verletzungspause einlegen musstest, dann weißt du, dass man sich in einer solchen Situation nichts sehnlicher wünscht, als endlich wieder die Laufschuhe schnüren zu dürfen.
Der Gedanke, laufen zu können, es aber nicht zu wollen, erscheint uns dann völlig unbegreiflich. Und trotzdem durchleben selbst erfahrene Läufer manchmal Phasen, in denen sie sich lustlos fühlen und sich nur mit Mühe zum Laufen aufraffen können.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wenn du mal einen richtig stressigen Tag hattest und abends statt zu laufen einfach nur auf der Couch versacken willst, dann ist das doch kein Problem.
Aber wenn deine Motivation über Wochen hinweg im Keller ist und dein Training darunter leidet, dann kann das dein (Halb-)Marathonziel in Gefahr bringen. Wir wollen dir deshalb ein paar Strategien vorstellen, mit denen du aus diesem Tief herauskommen und das Lauffeuer wieder neu entzünden kannst.
Die Erster-Schritt-Methode
Die „Erster-Schritt-Methode“ basiert auf der Erkenntnis, dass alles viel leichter wird, wenn wir erst mal den Anfang gemacht haben. Du hast dich sicher auch schon mal trotz akuter Unlust zum Laufen aufgerafft – und dann lief es plötzlich wie am Schnürchen und du konntest deinen Lauf richtig genießen.
Der vegane Extremsportler Rich Roll hat dieses Phänomen mit der Formel „Mood follows Action“ auf den Punkt gebracht: Warte nicht, bis du in „Laufstimmung“ bist, sondern laufe los – dann wird sich die Laufstimmung ganz von alleine einstellen.
Bei der Erster-Schritt-Methode geht es also nur darum, den ersten kleinen Schritt in Richtung deines Trainingslaufs zu machen, und dann den nächsten … und den nächsten – ohne gleich an den ganzen Lauf und an die Kilometer zu denken, die heute auf deinem Plan stehen.
Also: Zieh dir deine Laufklamotten an, ohne daran zu denken, dass du gleich nach draußen gehst. Dann geh nach draußen, ohne daran zu denken, dass du gleich loslaufen wirst. Laufe los, ohne daran zu denken, wie viele Kilometer nun vor dir liegen.
Es ist wie eine Meditation: Denk einfach nur bis zur nächsten Straßenecke. Du wirst sehen, dass du schon nach ein paar hundert Metern in deinen Lauf-Flow kommst, und ganz vergessen hast, wieso du dich gerade noch vor dem Laufen drücken wolltest.
Die Erster-Schritt-Methode mag wie ein völlig banaler Tipp klingen. In Wahrheit ist es aber der allerbeste Motivationstipp, den wir dir überhaupt geben können. Wenn du diese Methode meisterst, wirst du nie wieder Motivationsprobleme haben!
Die Gute-Entscheidung-Methode
Im Prinzip triffst du jedes Mal, wenn ein Lauf ansteht, eine Entscheidung: Laufe ich los, oder mache ich lieber etwas anderes?
Nimm dir vor, immer die beste Entscheidung für dich und dein Wohlbefinden zu treffen, und stell dir die folgende Frage: „Habe ich es jemals bereut, laufen gegangen zu sein?“
Du wirst diese Frage höchstwahrscheinlich mit „Nein“ beantworten. Und hast deine Entscheidung getroffen.
Die Visualisierungs-Methode
Bei der Visualisierungs-Methode rufst du dir mit allen Sinnen dein erfolgreiches (Halb-)Marathonfinish vor Augen.
Stell dir vor, wie du an der Startlinie stehst und die Schmetterlinge in deinem Bauch spürst. Wie du eine Gänsehaut bekommst, wenn der Moderator zusammen mit tausenden Zuschauern und Läufern die letzten Sekunden bis zum Startschuss herunterzählt. Wie sich die Anspannung in deinem Körper löst, wenn du endlich loslaufen darfst.
Und jetzt spring nach vorne in die letzten Kilometer deines Rennens. Stell dir vor, wie es sich anfühlt, dich mit jedem Schritt kraftvoll vom Boden abzudrücken, tief und kontrolliert zu atmen und nach und nach all die Läufer zu überholen, die sich schlechter vorbereitet haben als du.
Stell dir vor, wie du auf die Zielgerade einbiegst und dir vor den Augen deiner Familie und deiner Freunde deinen Traum erfüllst und ein Finisher wirst.
Diese Visualisierung ruft dir in Erinnerung, wofür du das alles tust. Dein nächster Lauf wird dich diesem Ziel, diesem Moment wieder ein Stück näher bringen. Also tust du das, was ein Finisher tut: Du ziehst deine Laufklamotten an und gehst laufen!
Die Beobachter-Methode
Bei der Beobachter-Methode lassen wir unser Selbstbild für uns arbeiten. Rufe dir zunächst in Erinnerung, mit welchen Eigenschaften du gerne von anderen wahrgenommen werden möchtest. Als Läufer macht es uns zum Beispiel stolz, dass andere unsere Disziplin, unsere Leidenschaft und Zielstrebigkeit bewundern.
Und jetzt stellst du dir vor, dass dich jemand beobachtet, den du gerne beeindrucken möchtest. Liefer für diese Person die Show deines Lebens ab: Zieh deine sportlichsten Laufklamotten an, trink ganz lässig noch ein Glas Wasser, und dann geh raus und laufe mit aufrechtem Oberkörper und kraftvollen, dynamischen Schritten los. Wow, siehst du gut aus!
Die Laufpausen-Methode
Mit den Methoden, die wir dir bis hierhin vorgestellt haben, kannst du aus fast jedem Motivationstief herauskommen. Aber wenn alles nichts hilft, dann solltest du auch daran denken, dass dein Kopf dir mit der Unlust auch ein Signal senden könnte: „Es ist zu viel, ich brauche eine Pause.“
In diesem Fall solltest du eine Auszeit vom Laufen in Betracht ziehen. Lass deine Laufschuhe für mindestens eine oder noch besser zwei Wochen im Schrank stehen, und warte darauf, dass die Lauflust zurückkommt.
Dieses „Aushungern“ wird dir dabei helfen, zu entdecken, was du wirklich willst, und wie wichtig dir das Laufen ist. Kommt die Lust überhaupt nicht mehr zurück, ist das auch eine wichtige Erkenntnis.
Und wenn du schließlich wieder Lust aufs Laufen hast, dann darfst du deine Schuhe schnüren und zu einer kleinen (!) Laufrunde aufbrechen. Taste dich langsam wieder an dein normales Pensum heran, und vergiss nicht, deine Ziele an die neue Situation anzupassen!
PS: Dieser Text stammt aus unserem E-Book und Multimedia-Paket FINISHER. Im Kapitel „Troubleshooting“ befassen wir uns mit all den kleineren und größeren Problemen, die dir während deiner Vorbereitung auf einen (Halb-)Marathon begegnen können. Wir hoffen, dass dir dieser kleine Auszug aus unserem Buch Lust auf Mehr gemacht hat!
Sandra
Hallo,
vielen Dank für diese Hilfen! Ich war in einem Motivationstief und hatte keine Lust zu laufen. Die Erste Schritt Methode war genau das Richtige für mich. Von der Arbeit nach Hause kommen, sofort in die Laufklamotten rein und raus zum Laufen. Gar nicht nachdenken, welche Strecke, einfach laufen. War richtig gut und mit gutem Gewissen danach auf’s Sofa😊
Viele Grüße
Sandra
Katrin Schäfer
Ja, dann ist das Sofa danach umso gemütlicher – wir kennen das!
Viele Grüße
Katrin
Angie
Hi, danke für den super Artikel. Nur eine Kleinigkeit am Rande: Mir gibt es jedesmal einen Stich, wenn ich „innerer Schweinehund“ lese. Es handelt sich dabei meines Wissens um einen Begriff aus der Nazizeit.
Und während ich dies hier schreibe, fällt mir noch was ein: Die merkwürdige Wortkreation „Schweinehund“ benutzt (wie so oft) Tiernamen, um etwas negativ zu konnotieren: „Schwein“ und „Hund“ kombiniert als etwas Übles, das es zu überwinden gilt.
Wir Veganer möchten auch sprachlich keinen Speziezismus betreiben (ich weiß, das geschieht ganz unbewußt und ich ertappe mich immer noch hin und wieder) und Tiernamen als Beschimpfung von Menschen vermeiden: „Hundsgemein“; „Schweinehund“; „versteht kein Schwein“; „einen Kater haben“; „falscher Hase“; „eine Sau sein“; „einen Vogel haben“; „zum Affen machen“; „fette Kuh“; „dumme Gans“; „Rabenmutter/Rabenvater“ (siehe den interessanten Artikel https://www.animalfair.at/tierschutz-tierrechte/tiere-in-der-sprache/)
Ganz liebe Grüße Angie
Daniel Roth
Hallo Angie, vielen Dank für deinen Kommentar und den Hinweis! Der Begriff ist ja so weitverbreitet in der Sportlerszene, dass ich mir darüber wirklich noch nie Gedanken gemacht habe.
Der Bezug zur Nazizeit würde mich wirklich stören, allerdings habe ich grade mal etwas recherchiert und das scheint so nicht ganz zu stimmen. Der Begriff wird schon deutlich länger (seit dem 19. Jhd.) verwendet, und hat ja auch in den letzten Jahrzehnten auch nochmal einen Bedeutungswandel erfahren … es ist meiner Meinung nach heutzutage weniger ein „Schimpfwort“ als vielmehr eine „liebenswürdige“ Personifizierung der inneren Widerstände, die wir als Läufer und auch in anderen Lebenssituationen empfinden. Deshalb wiegt in diesem speziellen Fall auch das Speziezismus-Argument nicht so stark für mich.
Du hast mich da aber auf jeden Fall sensibilisiert und ich werde mal überlegen, ob es schöne und passende Alternativen zu diesem Begriff gibt. „Innere Widerstände“ ist wohl korrekt, aber halt nicht so griffig und anschaulich. Hast du vielleicht eine Idee?
Angie
Hallo Daniel, danke für Deine Rückmeldung!
Wie wär’s mit dem inneren Couchpotatoe;)
Lg Angie
Daniel Roth
Das gefällt mir gut 🙂